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Fekete György (Ö1 Di, 31.03.2020, 12:00)
Mittagsjournal

Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit, sagt ein antiker Autor. Lustig wird es, wenn sich dieses Zitat live im Ö1-Mittagsjournal bewahrheitet.

Es geht um den vom ORF vielgescholtenen Viktor Orbán und dessen Maßnahmen in der Coronakrise. Zunächst interviewt Moderator Christian Williwald einen zuverlässig linksgestrickten ungarischen Journalisten, der mit der offiziellen ORF-Meinung zu 100 Prozent d'accord ist, nämlich: Orbán habe sich soeben zum Diktator ernannt. Soweit, so vorhersehbar.

Um seine vorgefasste Meinung zu unterstützen, läßt man im ORF zusätzlich auch Brüssel-Korrespondentin Raffaela Scheidreiter zu Wort kommen. Doch siehe da: In Brüssel sieht man die Dinge so völlig anders, dass nicht einmal die ORF-Korrespondentin helfend eingreifen kann.

Sie habe mit einem Juristen der EU-Kommission gesprochen und dieser ist tatsächlich der Ansicht, dass das ungarische Gesetz solide geschrieben sei. Im Gegensatz zu den ORF-Experten "dürften Juristen keine Angriffsfläche finden". Skandal - wo doch der ORF bereits seit Wochen das Gegenteil behauptet.

Williwald versucht noch in extremis zu retten: "Da schaltet einer das Parlament aus - warum kommt da nicht mehr?" Leider gibt es auch dazu aus Brüssel keine Hilfe. Laut dem befragten Juristen sind in dem Gesetz ohnedies demokratische Sicherheitsnetze eingebaut. Das Parlament kann die Notstandsmaßnahmen widerrufen oder begrenzen. Das werden die zu zwei Drittel Orbán zugehörigen Abgeordneten voraussichtlich nicht tun, aber - so Scheidreiter fast schon verzweifelt - "das ist immer der Fall, wenn es solche Mehrheiten gibt".

Das Tüpfchen auf dem i ist dann noch der vom EU-Juristen gezogene Vergleich mit Frankreich. Auch dort wurden dem Präsidenten mit Notstandsgesetz enorme Befugnisse eingeräumt, allerdings erfolgte dazu weder seitens der EU noch seitens der Mitgliedstaaten ein Aufschrei. Daher könne man jetzt auch nicht willkürlich anders entscheiden, nur weil es sich nicht um Macron, sondern um Orbán handelt.

Man muss dem ORF zugute halten, dass ein derartiges Interview überhaupt auf Sendung ging. Wahrscheinlich handelt es sich hier aber eher um einen handwerklichen Fehler und die Sache war halt vorher nicht abgesprochen. Irgendwie verständlich, denn von der EU hätte man sich schon mehr Schützenhilfe erwartet. Immerhin führt die Kommission seit Jahren eine Art Ausschlussverfahren gegen Ungarn und Polen. Und jetzt das.

Ganz geschlagen kann man sich im ORF aber doch nicht geben. So titelt man auf orf.at munter: "Von der Leyen: Ungarns Maßnahmen müssen begrenzt sein". Eigenartige Überschrift, da ja von Anfang an klar war, dass die ungarischen Notstandsmaßnahmen mit Ende der Coronakrise auslaufen. Die EU fordert also, was ohnedies bereits feststeht. Aber so kann man im ORF zumindest teilweise das Gesicht wahren.

Fazit: Dieser ORF ist nicht zu reformieren.