ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Kurt Ceipek (Ö1 Sa, 22.01.2022, 12:00)
Mittagsjournal

Wenn eine Interviewerin im Hörfunk einen Finanzminister zum Thema Corona befragt und von ihm dann wissen will, ob er einen Lockdown ausschließen könne, dann kann man ziemlich sicher sein, dass man in eines der zahlreichen Ö1-Journale geraten ist. Dort sind bekanntlich die dümmsten und sinnlosesten Fragen zu Hause.

In besonders hoher Konzentration kommen solche hirn- und hilflosen Fragen in der samstäglichen Sendung „Im Journal zu Gast“ vor, wo eine ORF-Frau namens Maria Kern dem neuen Finanzminister Magnus Brunner genau diese Frage stellte. Als mitdenkender Zuhörer sinnierte man dann zwangsläufig, welche Antwort die angeblich hochqualifizierte Journalistin erwartet haben mag. Schließlich kann kein Mensch einen Lockdown für alle Ewigkeit ausschließen, am allerwenigsten der Finanzminister.

Aber es geht auch noch dümmer.

In diese Kategorie fällt auch die Frage, wann denn die staatliche Schuldenquote wieder auf unter 70 Prozent gedrückt sein würde. Was soll der Finanzminister schon darauf antworten, als „mittelfristig“. Er hätte auch sagen können „so bald wie möglich“, aber wenn er ein präzises Datum genannt hätte, dann wäre er als Politiker vermutlich Fehl am Platze.

Sehr seltsam war auch die Frage, ob die ÖVP nun noch immer „türkis“ oder „schwarz“ sei. Hat die Frau Kern erwartet, darauf eine klare Antwort zu bekommen? Falls Ja, dann hätte sie ganz entschieden ihren Beruf verfehlt. Man könnte aber in der Journalredaktion einmal zu erforschen versuchen, welche Gehirnakrobaten derartige Fragen erfinden. Der aus dem Ländle kommende Finanzminister anwortete trocken: „Wir sind die Volkspartei und wichtig ist, ob die Inhalte stimmen. Und die stimmen bei der Volkspartei.“

Natürlich wollte die ORF-Interviewerin ihrem Gesprächspartner auch Kritik an Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz entlocken, denn auf das Kurz-Bashing will der ORF auch nach dessen Rückzug aus der Politik nicht verzichten. Kurz sei „ein unglaublich erfolgreicher Bundeskanzler“ gewesen, gab Magnus Brunner zu Protokoll. Das wollte die offensichtlich stramm linke ORFlerin nicht hören, obwohl sogar sie eingestehen musste, dass Kurz der ÖVP zu einem Höhenflug bei den Wählerstimmen verholfen habe.

Dann warf Frau Kern das Killerargument „Korruptionsvorwürfe“ in die Redeschlacht. Dass Kurz bislang keine Korruption bewiesen werden konnte, obwohl sich Opposition und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit aller Kraft darum bemühen, da irgend etwas Brauchbares auszugraben, kümmerte die Interviewerin nicht im Entferntesten.

Mit Spannung dürfen wir nun erwarten, wann denn der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig oder sein Vorgänger Michael Häupl ins Mittagsjournal eingeladen werden, um sie dann zu befragen, wie viele Inserate die Gemeinde Wien schaltet und wofür, ob dort auch Umfragen mit Steuergeld finanziert werden. Da ginge es allerdings um Beträge, die sich in völlig anderen – vermutlich hundertfachen – Dimensionen abspielen.

Es wäre die besonders lohnende Aufgabe des neuen ORF-Generaldirektors Roland Weißmann, die Journal-Redakteure zu ermuntern, nicht nur bürgerliche Politiker zu jagen, sondern auch die Politiker der roten Minderheit mit gleichem Elan zu verfolgen. Dann würde der ORF vielleicht sogar das in den letzten Jahren verlorene Vertrauen der Gebührenzahler zurückgewinnen. Wenn es dem neuen General nicht gelingt, den ORF wieder auf den Pfad der Objektivität und parteipolitischen Neutralität zurückzuführen, dann hätten jene, die ihn gewählt haben, auf das falsche Pferd gesetzt.