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Kurt Ceipek (Ö1 Sa, 29.01.2022, 12:00)
Mittagsjournal

Jetzt hat der mutige und bekanntlich parteipolitisch völlig neutrale ORF schon wieder einen Skandal enthüllt: Die niederösterreichische Papiersackerlaffäre. Bekanntlich sei Niederösterreich von einer absoluten ÖVP-Mehrheit dominiert, leitete die Journal-Moderatorin den Beitrag über die „Papiersackerlaffäre“ ein und wetterte, „Millionen von Papiersackerln überschwemmen das Land“.

Dass diese Sackerln in den Farben blau und gelb – also den NÖ Landesfarben – gehalten sind, kann man nur schwer für einen Skandal halten. Der ORF kann, denn blau und gelb seien auch die Farben für alle Werbemittel der ÖVP und es werde im nächsten Jahr Landtagswahlen geben. 1,4 Millionen derartiger Affären-Sackerl wurden im Vorjahr produziert und unter die Leute gebracht. Heuer sollen es ähnlich viele werden. Da wird die Sackerl-Überschwemmung noch dramatischer.

Um dem Skandalbericht das nötige Gewicht zu verleihen. wurde Stefan Kappacher, einer der kampferprobten Linksaußen der ORF-Mannschaft, in die Schlacht geschickt. Die Sackerl-Millionen sind Teil einer schon seit zwei Jahrzehnten laufenden Aktion im Land, die für Nahversorger vom Greißler über Bauernläden und Gastronomiebetriebe bis zum Heurigen wirbt. „Hier leben wir, hier kaufen wir“, stehe auf den Sackerln, enthüllte Kappacher und verwies auf den skandalösen Zusatztext: „Volkspartei Niederösterreich steht da ganz groß“ und dazu – hier lauert nach ORF-Meinung vermutlich die „Affäre“ – „eine Initiative von Johanna Mikl-Leitner“.

Ist ja auch wirklich skandalös, wenn sich die Landeshauptfrau für die kleinen Nahversorger ihres Bundeslandes einsetzt.

Hauptsponsor dieser Aktion ist die ÖVP, weitere Sponsoren sind der Wirtschaftsbund, der Bauernbund, Raiffeisen und die NÖ Versicherung. Als „springenden Punkt“ bezeichnete ORF-Kappacher die Tatsache, dass auch der landeseigene Energieversorger EVN diese Sackerln sponsert. „Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung“, stellte der Autor des Beitrages in den Raum.

Auf die Idee, daraus einen Skandal konstruieren zu wollen, ist der ausrangierte niederösterreichische Landtagsabgeordnete Walter Naderer gekommen. Dieser Mann wurde für das Team Stronach „Liste Frank“ im Jahr 2013 in den NÖ Landtag gewählt. Ende 2013 wurde er dort ausgeschlossen und blieb als sogenannter „wilder Abgeordneter“ im Landtag.

Im September 2016 wurde Naderer Parteiobmannstellvertreter der Partei „Meine Stimme g!lt“ des Kabarettisten Roland Düringer. An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Denn diese harmlose und freundliche Aktion für die heimischen Nahversorger skandalisieren zu wollen, hat schon etwas höchst kabarettistisches an sich.

Ein echter Skandal ist allerdings, dass Ö1 aus einer dermaßen substanzlosen Geschichte, die nicht einmal das Prädikat „heiße Luft“ verdient, einen offensichtlich ernst gemeinten Beitrag von mehr als drei Minuten bastelt und sendet. Der Nutzen für die Sponsoren für die Aktion liegt auf der Hand: Es ist für die beteiligten Organisationen sinnvoll und nützlich, sich für die heimischen Nahversorger einzusetzen. Das weckt viel Sympathie. Dafür sind die Kosten von ein paar Tausend Euro vermutlich eine gute Investition.

Das weiß man sicher auch im ORF. Dass man die Hörer und Zwangsgebührenzahler mit einem solchen an Satire grenzenden Beitrag quält, kann daher nur einen Grund haben: Die Hoffnung, dass bei den Zuhörern schon irgendetwas Negatives im Gedächtnis bleibt.

Ö1 hat den NÖ Landtagswahlkampf hiermit eröffnet. Und man kann sich heute schon ausmalen, was der pflichtgemäß stets objektive Sender Ö1 noch auf uns zukommen lassen wird.