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ZIB 2

ORF2Andere, Mi, 19.09.2018, 01:08 | Werner Grotte

Der überraschend angekündigte Rückzug Christian Kerns als SPÖ-Chef überraschte anscheinend seine eigenen Genossen ebenso, wie den ORF, der für die ZiB2 keinen einzigen SPÖ-Vertreter auftreiben konnte, der dazu etwas sagen konnte oder wollte - nicht einmal Wortakrobat Max Lercher. Stattdessen fanden sich bei Armin Wolf im Studio Politologe Peter Filzmaier und Kern-Biograph Robert Misik ein – und machten durch so manche Aussagen klar, dass in der SPÖ derzeit anscheinend niemand wirklich weiß, wie es weitergehen soll.

Gleich zu Beginn bezeichnete Filzmaier Kerns Aktion auf die Frage hin, ob er denn so etwas schon einmal erlebt hätte, als „verhaltensoriginell“ oder „gewöhnungsbedürftig“ – „wenn sie noch halbwegs nette Eigenschaftsworte finden wollen“. Auf gut Deutsch: Der obligate Kern’sche „Vollholler“ ist ein Witz gegen das, was Kern sich und seiner Partei gerade angetan hat.

Denn, so Filzmaier weiter: „Gerade hat er sich noch im ORF-Sommergespräch als ‚‘ich bleibe in Österreich, was immer auch passiert‘ präsentiert, auch in seltsamen Wetten mit dem FPÖ-Chef, und jetzt in einer Überrumpelungsaktion mit schnell gefassten Parteigremien-Beschlüssen, 'Ätsch, doch nicht' – das ist amateurhaft - man könnte es auch unfreundlicher ausdrücken.“

Auch Kern-Intimus Misik gab sich bass-erstaunt und völlig unwissend, was denn hinter Kerns plötzlichem Entschluss stehe, und nahm sogar das Wort „Mobbing“ in den Mund. Die böse Partei also, die ihre Kinder frisst.

Wirklich entlarvend war letztlich die Aussage Filzmaiers, dass sich Anzugträger Kern – trotz seiner „sozialdemokratischen Wurzeln“ – in der Rolle des Oppositionspolitikers nie so richtig wohl gefühlt habe und daher „besser nach Europa passe“. Es wurde gar gemutmaßt, Kern könnte Kommissionspräsident Jean Paul Juncker oder der Außenbeauftragten Federica Mogherini nachfolgen. Ein schöner Versorgungsposten für einen Ex-SPÖ-Bundeskanzler allemal.

Tatsächlich ist Christian Kern aber nicht nur der kürzest amtierende Bundeskanzler, sondern auch der am kürzesten amtierende SPÖ-Vorsitzende der Zweiten Republik (und der Ersten wohl auch). Interessant dazu die Aussage Robert Misiks, dass Kern „die Partei in einem jämmerlichen Zustand übernommen hat“. Letztlich hätten „die Sozialdemokraten“, also Kern als deren Chef, aber auch noch „Fehler gemacht, ohne die sie die letzte Wahl gewinnen hätten können.“

Ob also ein Rekord-Kurzzeit-Kanzler und -SPÖ-Chef, dessen „Fehler“ (unter anderem die „Silberstein“-Affäre“) die SPÖ das Regierungsamt gekostet haben, prädestiniert für eine Führungsrolle in der SPE ist, werden wohl die EU-Gremien entscheiden müssen.

Die Nachfolgefrage für Kern in Österreich scheint sich jedenfalls schwierig zu gestalten: „Natürlich ist es so, dass die sozialdemokratische Partei ihren Vorsitzenden verloren und keinen natürlichen Nachfolger hat, man kann sagen, Kaiser wäre ein Kandidat, aber man kann eine Partei nicht aus Kärnten führen. Pamela Rendi-Wagner hat gute Vorzüge, aber natürlich kennt sie die Partei intern relativ schlecht. Doris Bures könnte die Partei irgendwie zusammenhalten, aber die Ausstrahlungskraft, mit der du eine Wahl gewinnen willst, ist irgendwie enden wollend. Also da hast du keinen Kandidaten, der sich wirklich aufdrängt“, resümierte Misik über die Zukunft der SPÖ. Bitter.

In diesem Fall scheint nicht einmal mehr der ORF eine Geheimwaffe zur Rettung der SPÖ parat gehabt zu haben. Armin Wolf bedankte sich schön und beendete das sehr aufschlussreiche Gespräch.