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Andereorf 2, Do, 03.10.2019, 14:49

Welche 'Unabhängigkeit' Armin Wolf meint, hat er in seiner ZiB2 wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Interview mit dem steirischen SPÖ-Abgeordneten Max Lercher. Darin spricht dieser etwa von der roten Zukunftshoffnung Julia Herr. Armin Wolf hätte an dieser Stelle, gemäß seinem sonstigen Stil gegenüber türkisen oder blauen Interviewpartnern, nachhaken können, ob jene Julia Herr gemeint sei, die bei früherer Gelegenheit offen für totalitäte, antidemokratische Diktaturen eingetreten ist (Stichwort Venezuela). Hat er (natürlich) nicht getan.

An anderer Stelle spricht Max Lercher vom Ibiza-Video als "dem größten Skandal in der zweiten Republik".

Max Lercher ist Jahrgang 1986. Es war neun Jahre vor seiner Geburt, als das Frachtschiff Lucona von Udo Proksch versenkt wurde – 6 Menschen kamen dabei ums Leben. Hans Pretterebner – der Aufdecker des Lucona-Skandals – spricht in seinem Buch "Der Fall Lucona: Ost-Spionage, Korruption und Mord im Dunstkreis der Regierungsspitze" davon, dass Proksch so lange seiner Strafe entgehen konnte, habe er mächtigen roten Freunden zu verdanken gehabt. Führende SPÖ-Politiker, darunter zahlreiche Minister, waren mit Proksch eng befreundet. Der Lucona-Skandal hat die Republik in den 1980er Jahren erschüttert, dass kann man ohne Übertreibung sagen.

Auch als 1985 die österreichische verstaatlichte Industrie in eine schwere finanzielle Existenzkrise gestürzt ist, war Max Lercher noch gar nicht geboren. Im selben Jahr kam der Intertrading-Skandal ans Licht der Öffentlichkeit, ein Spekulationsskandal im Dunstkreis roter Funktionäre und Manager, der schließlich zur Zerschlagung und Privatisierung der großen österreichischen Industrieunternehmen geführt hat. Was sich letztendlich als deren Rettung erwiesen hat, wurden diese einstigen Aushängeschilder österreichischer Inudstriegeschichte doch vom bisherigen und verhängnisvollen Zugriff der SPÖ-Gewerkschaftsfunktionäre und SPÖ-Politiker befreit.

Im selben Jahr 1985, Max Lercher war noch immer nicht geboren, kam schließlich der bislang größte österreichische Waffenskandal, bekannt als "Noricum-Skandal", ans Licht der Öffentlichkeit. Noricum war ein Tochterunternehmen der VOEST und Anfang der 1980er Jahre in großem Umfang an illegalen Waffenlieferungen an den Irak beteiligt. Der damalige österreichische Botschafter in Athen, Herbert Amry, hat das österreichische Außenministerium wiederholt über Hinweise auf illegale österreichische Waffenexporte in den Iran informiert. Außenminister war damals ein gewisser Leopold Gratz von der SPÖ. Für Herbert Amry endete dieser Skandal tödlich, er starb 1985 – vermutlich durch Giftmord.

Innenminister Karl Blecha (SPÖ) musste in der Folge zurücktreten und wurde später verurteilt. Auch der damalige SPÖ-Bundeskanzler Sinowatz sowie Außenminister Gratz wurden durch den Skandal politisch gebeutelt. Ein eigener parlamentarischer Untersuchungsausschuss – gegen die Stimmen der SPÖ – beschäftige sich 1989 monatelang mit dem Noricum-Skandal.

Als das einstige Flaggschiff des österreichischen Einzelhandels, der Konsum, 1995 in den Konkurs schlitterte, war Max Lercher neun Jahre alt. Der Konsum war mehrheitlich im Besitz der BAWAG, einer nach eigener Definition "Arbeiterbank", welche wiederum mehrheitlich dem SPÖ-dominierten österreichischen Gewerkschaftsbund ÖGB gehörte. Als der rote Konsum 1995 zusperren musste, verloren rund 15.000 Angestellte ihre Arbeit. Die Konsum-Pleite hat Österreich massiv erschüttert. Von Misswirtschaft, inkompetenter Führungsriege, Fehlentscheidungen am laufenden Band und roter Günstlingswirtschaft war die Rede.

Stichwort BAWAG: im Jahre 2006 konnte schließlich  auch die einstige Mutter des Konsum selbst ihre katastrophale Lage nicht mehr verheimlichen. Durch teils dubiose Spekulationsgeschäfte, oftmals an den Gremien vorbei, ist der roten Gewerkschaftsbank in den Jahren 1995 bis 2000 ein Verlust von mehreren Milliarden Euro entstanden. Federführend bei den Spekulationsgeschäften war ein gewisser Wolfgang Flöttl, Sohn des Wiener SPÖ-Urgesteins und ehemaligen BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl. Walter Flöttl war es übrigens auch, der eine äußerst günstige Vermietung eines luxuriösen Penthauses in der Wiener Innenstadt an den damaligen ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch (SPÖ) genehmigt hatte.

Der gesamte BAWAG-Skandal, durch welchen auch der Pensionsfonds für tausende Angestellte vernichtet wurde, hat die Republik buchstäblich erschüttert und noch Jahre später beschäftigt. Max Lercher war 2006 zarte 20 jahre alt, den BAWAG-Skandal wird er, als politischer Mensch vermutlich bereits auf seinem Radar haben.

Dies ist bloß eine kleine Auswahl der "größten Skandale" der zweiten Republik. Es wäre also an Armin Wolf gelegen – dem Journalisten und Älteren – Max Lercher und den ORF-Zusehern seine geradezu lächerliche, historische Einordnung des Ibiza-Videos ein wenig zurechtzurücken. Den historischen Fakten entsprechend.

Bloß, zu derart kritischem Journalismus scheint Armin Wolf nur bei türkisen und blauen Gesprächspartnern in der Lage zu sein. In der Zwischenzeit muß sich der ORF-Seher und -Hörer von einem 33 Jahre alten Sozialisten über die österreichische Geschichte "aufklären" lassen.