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Mittagsjournal „Im Journal zu Gast“

AndereÖ1, Sa, 20.06.2020, 23:41 | Kurt Ceipek

Gäbe es in Österreich ein seriöses Studium für Journalistenausbildung müsste man das Gespräch „Im Journal zu Gast“ zwischen Grün-Vizekanzler Werner Kogler und Ö1-Redakteur Stefan Kappacher als besonderes Musterbeispiel in den Lehrplan aufnehmen. Als Beispiel dafür, wie ein politisches Interview einer öffentlich-rechtlichen und zu Seriosität und Objektivität verpflichteten Rundfunkanstalt absolut NICHT geführt werden darf.

Dass Kappacher, der dem linken Flügel der ohnehin stramm linken Ö1-Redaktionsmannschaft angehört, dem Grünen-Chef vorerst mild-freundliche Fragen stellen würde, war nicht weiter überraschend. Das ist bei Ö1-Interviews und in der Zeit im Bild eher die Regel als die Ausnahme. Den Gesprächspartner ungehindert dampfplaudern zu lassen ist bei Interviews mit roten oder grünen Politikern normal. Radikal abgewürgt werden lediglich Stellungnahmen von schwarz-türkisen Politikern. Blaue Interviewte lässt man nach Möglichkeit kaum einen Satz zu Ende formulieren.

Vorerst prügelte Kappacher die Industriellenvereinigung, deren neu gewählter Präsident von der Regierung mehr Unterstützung erbittet. Das brachte Kogler in die Verlegenheit, die Industrie verteidigen zu müssen. Seine Erkenntnis: Die Wirtschaft schafft die Arbeitsplätze. Das ist zwar logisch, aber von Vertretern des linken Reichsdrittels selten zu hören.

In der Folge ließ der Interviewer in unerhörter Penetranz nichts unversucht, den Ö1-Hörern unterzujubeln, dass die ÖVP beim Corona-Lockdown die Absicht verfolgt habe, „die Österreicher zu Hause komplett einzusperren“, was die wackeren Grünen verhindert hätten. Kogler wollte diese Steilvorlage nicht annehmen und relativierte, dass der Kauf von Lebensmitteln und andere lebensnotwendige Besorgungen nie in Frage gestanden seien.

Aber Kappacher, der nichts unversucht lassen wollte, der ÖVP ans Bein zu pinkeln, blieb beharrlich: „Herr Kogler, wäre es darauf hinausgelaufen, dass wir eine komplette Ausgangssperre gehabt hätten?“, fragte er penetrant. Weil Kogler noch immer ausweichend antwortete, meinte der ORF-Mann mit beleidigtem Unterton in der Stimme: „Herr Kogler, ich nehme zur Kenntnis, dass sie nicht sagen wollen, was die ÖVP wirklich wollte und was Sie verhindert haben.“ Um dann unvermittelt „zur Rolle der ÖVP in der Ibiza-Affäre“ zu wechseln. Auch der Rest des langen Interviews war neutralen Zuhörern kaum zumutbar und dürfte bei manchem den Blutdruck gesundheitsgefährdend hochgejagt haben.

In einem seriösen Sender, der von fast allen Österreichern zwangsfinanziert wird, müsste ein Mann der dermaßen manipulative und unverfroren parteiische Interviews führt, unverzüglich in die Portierloge zwangsversetzt werden. (Archiv wäre möglicherweise zu gefährlich, weil auch geeignet und anfällig für Manipulationen.)

All das hat mit Pressefreiheit und Unabhängigkeit der ORF-Journalisten nichts mehr zu tun, die bei Kritik an solchen Machwerken gerne ins Treffen geführt werden. Mit solchen Methoden wird das ORF-Gesetz, das Objektivität und parteipolitische Neutralität vorschreibt, grob verletzt. Warum die bürgerlichen Parteien, die in diesem Land eine klare Mehrheit bilden, dagegen nicht ihre Stimme erheben und tadeln, was tadelnswert ist, bleibt rätselhaft.

In der Praxis werden die einseitigsten und unverschämtesten Journalisten für solche Machwerke nicht gerügt, sondern von ihren Gesinnungsgenossen gelobt und mit fragwürdigen Journalistenpreisen überhäuft. Die bürgerlichen Parteien werden das seit Jahren anhaltende Trommelfeuer von links bei den nächsten und übernächsten Wahlen wohl kaum unbeschadet überstehen.